Zu Fuß mit 2 Eseln und Hund von Martfeld nach Santiago de Compostela 2020 Teil 2
- Olaf Seebode
- 25. Jan.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Jan.

Ende Mai 2020 entspannte sich die Lage in Deutschland ein wenig. Die Corona Maßnahmen wurden etwas gelockert und wir witterten die Chance, unsere im Frühjahr abgebrochene Reise doch noch fortsetzen zu können. Wir fackelten nicht lange und ließen uns ein paar Tage später wieder mit den Eseln nach Hilter im Teuteburger Wald bringen, genau an die Stelle, wo wir uns im März hatten einsammeln lassen. Die Tatsache, dass wir ohne Eigenverschulden die Wanderung genau an dem Zeitpunkt abbrechen mussten, als wir uns gerade warmgelaufen hatten und nach anfänglichen Zweifeln zu der festen Überzeugung gelangt waren, dass wir unser Ziel erreichen würden, nagte sehr an uns Dreien.


Wegen der anhaltenden Corona Situation mit den damit verbundenen Maßnahmen waren wir sehr gespannt, ob wir weiterhin so problemlos Plätze zum übernachten finden könnten, wie beim ersten Teil der Tour. Doch gleich am ersten Tage wurden unsere Befürchtungen weggeblasen. Wir machten gerade Pause auf einer einsamen Sitzbank, da sprach uns eine Bäuerin vom nicht weit entfernten Hof an. Sie hätte unsere Esel mit den Packtaschen gesehen und wollte fragen, ob wir was bräuchten. Ein Platz für die Nacht wäre nicht schlecht, entgegneten wir und prompt wies sie uns den Weg zu einer in der Nähe liegenden Wiese auf der wir unser Lager errichten konnten.



Leider ging es nicht es nicht ganz so unbeschwert weiter. Die einzelnen Landkreise und insbesondere die Bundesländer hatten zu der Zeit völlig unterschiedliche Regelungen, wie sie mit der Pandemie umgingen. Teilweise waren Restaurants und Campingplätze geöffnet, teilweise nicht. Mal herrschte Maskenpflicht, mal nicht. An einigen Orten durfte man nur einzeln in den Supermarkt, an anderen war das völlig egal. Für uns, die wir uns ständig fortbewegten war das nicht einfach da auf dem Laufenden zu bleiben. Das hatte zur Folge, dass wir in mehreren Nächten ein sogenanntes Notbiwak errichten mussten, d.h. wir suchten uns einfach einen uns geeignet erscheinenden Platz und schlugen dort unser Lager auf. So lange man kein Zelt errichtet, d.h. einen mit einer Trägerkonstruktion umbauten Raum errichtet, und sich nur von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang an dem Platz aufhält, gilt das nicht als wildes campen. Das gilt natürlich nicht für Naturschutzgebiete und auch muss man einen Mindestabstand von 100 Metern zu Waldgebieten einhalten. Da der Grundsatz unserer Reise ist, dass wir nichts auf dem Weg hinterlassen wollen als einen Fuß-, bzw. Hufabdruck und einen guten Eindruck, ist es selbstverständlich, dass Rastplätze sauberer hinterlassen wurden als wir sie vorfanden. Wir hatten immer eine Tüte für fremden Müll an einem der Esel.













Die Tage waren bei allen Beschwerlichkeiten, welche eine solche Reise stets mit sich bringt, sehr unterhaltsam. Uns wurden unzählige dumme Fragen über das, was wir da machten gestellt. Zunächst versuchten wir, alle diese Fragen ernsthaft zu beantworten. Das artete binnen kurzer Zeit in Stress aus, da man für jedes Gespräch anhalten musste und dann mit den Eseln erst wieder langsam in einen guten Tritt kam. Das ermüdet ungemein und wird schnell lästig. Also riefen wir als bald einen Wettbewerb der dümmsten und kürzesten Antworten auf belanglose Fragen auf. "Warum machen Sie das?" "Wir laufen für mehr Beinfreiheit für Kamele auf Inlandsflügen.", um nur ein Beispiel zu nennen.
In einem Park irgendwo im Ruhrgebiet sprach uns eine Mutter mit mehreren Kindern an. Da sie ernsthaft an dem interessiert zu sein schien, was wir machten, kamen wir länger ins Gespräch. Sie zeigte sich begeistert und bot uns an, in ihrem Garten zu übernachten. In ihrem Hause könnten wir auch duschen und unsere Wäsche waschen, ihr Mann hätte bestimmt nichts dagegen.
Als wir kurz darauf in ihrem Heim ankamen und sie uns ihren Mann vorstellte, konnte man an seiner Reaktion sehen, dass er wohl doch entschieden etwas gegen unseren Besuch gehabt hätte, wenn man ihn vorher gefragt hätte. Auch war der Garten, da an einem steilen Hang liegend, weder zum campen noch zur Eselhaltung geeignet. Aber die nette Dame war überglücklich, dass sie uns weiterhelfen konnte und wir haben ihr den Gefallen gerne getan, da wir um die Uhrzeit nur schwer etwas besseres gefunden hätten.






Irgendwo hinter Bonn zogen wir eine erste Zwischenbilanz und stellten fest, dass wir zwar eigentlich bis dorthin sehr gut vorangekommen waren, aber wir mit dem Tempo keine Chance hätten Santiago noch vor Ende der Sommerferien zu erreichen. Das war rechnerisch nicht mehr möglich. Schon gar nicht, wenn wir den Eseln adäquate Ruhepausen gönnen wollten. Was also nun tun? Wir liefen noch ein, zwei Tage weiter und berieten die Lage. Schließlich kamen wir zu dem Schluß, dass es das Beste sei, die beiden Esel abholen zu lassen und den Rest der Reise ohne sie zu bestreiten. Dadurch wären auch Fahrten mit dem Zug oder Bus möglich, was die Reisedauer kalkulierbarer machen würde..





Ohne die Esel erhöhte sich unsere Tageskilometerleistung um einiges. So gelangten wir recht zügig über Trier nach Luxenburg. Dort enschlossen wir uns, einen Zug nach Metz zu nehmen. Dort angekommen, fiel bei der ersten Pause einem unserer Reiseteilnehmer das Handy in den örtlichen Fluß. Wagemütig sprang er hinterher und fand es nicht nur wieder, sondern zu unserer aller Verwunderung funktionierte es noch tadellos.

Der Inhaber des Telefons war nun aber komplett durchnässt und um einer Erkältung vorzubeugen, buchte ich das nächst beste bezahlbare Hotel in der Nähe. Als wir dort ankamen stellten wir fest, dass es total dunkel und verschlossen war. Das Hotel wurde gerade renoviert. Wir mussten daraufhin ganz auf die andere Seite der Stadt, da gab es ein anderes Hotel vom gleichen Konzern. Dort angekommen vielen wir seelig in die Betten.
Am nächsten Morgen erwachten wir allerdings alle drei komplett zerstochen. Das ganze Hotel war von Bettwanzen verseucht. Nun war guter Rat teuer. Wie sollten wir die nun wieder loswerden? Unser ganzes Gepäck war ja nun konterminiert. Es gibt meines Wissens nur ein wirksames Mittel. Man muss alles in schwarze Plastiksäcke packen und einen Tag in die pralle Sonne legen. Leider war der Norden Frankreichs von Wolken bedeckt und die Wetterkarte verhieß keine Besserung. Im Süden sah das aller dings ganz anders aus. Also fuhren wir per Bahn nach Dax, einen Ort südlich von Bordeaux. Wir mieteten uns auf einem Campingplatz ein und verpackten am nächsten Tag unser Hab und Gut in Plastiksäcke, legten diese in die Sonne und warteten den Tag über auf dasSterben der Bettwanzen.


Unser Plan ging auf. Wir hatten die Plagegeister erfolgreich ausgemerzt und marschierten nun weiter nach St. Jean-Pied-de-Port, dem Startpunkt des Camino Frances.






Wir kamen gut voran und der Marsch über die Pyrenäen war relativ entspannt. Aber bereits in Pamplona kamen uns die ersten Zweifel, ob die Wanderung überhaupt durchführbar war. Es war das Wochenende des Stierlaufs in Pamplona und in den Medien war groß angekündigt, die Veranstaltung wäre aufgrund der Corona Pandemie abgesagt. Allerdings mussten wir beim Eintreffen in der Stadt feststellen, dass zwar die Stiere nicht liefen, aber die Bevölkerung gewohnheitsmäßig einfach ohne Stiere fleißig feierte. Alle Hotels und Pensionen der Stadt waren ausgebucht. In jeder Gasse tobte ein rauschendes Fest und das trotz Versammlungsverbotes. Wir machten, dass wir schleunigst weiterkamen. Hinter dem Rathaus sammelten sich bereits mehrere Hundertschaften verschiedenster Polizeiverbände, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.
Als wir uns am Abend auf einer Wiese außerhalb Pamplonas zum schlafen legten, hörten wir Sirenen und lautes Getöse aus der Stadt. Auch fielen mehrere Schüsse und auch Böller. Dazu blitze und leuchtete es über den Dächern der Stadt. Das war eine sehr unheimliche Atmosphäre..



Die Nacht vor Pamplona hatte unsere Stimmung etwas getrübt. Die Stimmung im Land war gereizter, als ich das von meinen anderen Reisen kannte. Was würden wir tun, wenn der Spanier plötzlich seine Maßnahmen verschärfen würde? Würden wir dann noch problemlos ausreisen können. So wie sich die Menschen in Pamplona verhalten hatten, war auch damit zu rechnen, das die Zahl der Infektionen in nächster Zeit ordentlich ansteigen würde. Im nächsten Ort erfuhren wir zudem, dass es in diesem Jahr nicht erlaubt wäre in den Gärten der Herbergen zu zelten. Da wir mit Hund reisten, waren wir genau darauf angewiesen, da Hunde innerhalb der Herbergen verboten sind. Als wir uns zu einer Beratung über die Situation zusammensetzten, bemerkten wir Polizei und Militär aufziehen. Es wurden Kontrollpunkte mit maskierten Polizisten, welche mit Maschinengewehren bewaffnet waren errichtet. Hier sollte Fieber gemessen werde. Alles ab 37,5 Grad kam sofort in Karantäne. Nun war es uns ganz klar, wir müssen hier weg sofort. Das Risiko war nicht mehr kalkulierbar. Wir nahmen uns das nächste Taxi und ließen uns direkt nach San Sebastian an die französische Grenze bringen. Mit dem Zug ging es dann nach Bordeaux und dort hingen wir dann über eine Woche fest, da alle Züge Richtung Paris restlos ausgebucht waren, da die Anzahl der Verbindungen aufgrund der Pandemie stark reduziert war. Letztendlich kamen wir aber doch körperlich unversehrt zu Hause an.